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18st March 2002 - 21.12
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SAN ANTONIO
Ist man schließlich
über den Abra Munaño (4050 m) "gehopst", so ist
der Weg frei ins ausgesprochen trostlose San Antonio. Die
Stadt hat wenig aufzuweisen: durch die viel zu breiten Straßen
weht ein kalter, unablässiger Wind, alles ist staubgrau, kein
Mensch ist zu sehen und vergeblich sucht man nach Geschäften.
Im Winter kommen noch Temperaturen von -20 °C dazu, wahrlich
kein Platz für depressive Menschen. Bei der Polizei bekam
ich meinen Ausreisestempel und die Information, daß es noch
über 200 km auf Schotterpiste bis zum ersten chilenischen
Posten sein sollten. Da unter diesen Bedingungen meine Tagesetappen
auf 40-50 km zusammenschrumpfen, bedeutete das fast eine Woche
auf über 4000 m Höhe zuzubringen und immer wieder von neuem
mit Pässen, die bis auf 4500 m anwuchsen, gequält zu werden.
Aber der Preis war nicht zu hoch, den ich zu zahlen hatte.
Vollkommene Einsamkeit, die nur einmal pro Tag von einer Ansammlung
Häuser oder einem Kontrollposten unterbrochen wird, umgeben
von schneebedeckten Vulkanen, unerträglich grellweiß und gelb
schillerenden Salzseen und der Piste, die sich irgendwo in
der Unendlichkeit des flimmernden Horizontes verliert (wenn
sie sich nicht gerade einen Paß hochwindet). Es sind aber
nicht nur die schönen, ernsten Momente, die diese Andenüberquerung
für mich so unvergeßlich machen. Immer wieder gab es amüsante
Begegnungen mit Menschen und Tieren...
DIE
LAMA-BANDE
Schon von
Weitem konnte ich die Lamaherde erkennen, aber diesmal schienen
sie nicht so scheu wie sonst zu sein. Keuchend und alle 200
m anhaltend näherte ich mich langsam. Die Neugierde schien
auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn die Lamas musterten mich
nun schon seit ich in ihr Blickfeld geraten war. Bei ihnen
angekommen war ich verwundert, daß die Tiere, anders als sonst,
mir keinen Platz machen wollten. Ganz im Gegenteil, sie kreisten
mich ein, kamen immer näher und entwickelten starkes Interesse
am Inhalt meiner Packtaschen. Im letzten Augenblick kam mir
die rettende Idee und ich opferte das Salz, auf das die Lamas
offensichtlich so scharf waren. Ich streute es auf den Boden
und konnte mir so meine Freiheit zurückerkaufen.
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WAS
IST EIN PASS ?
Circa 80 km hinter San Antonio hatte
ich den letzten argentinischen Kontrollposten passiert
und endlich erfahren, daß der Paso de Sico "mein"
Paß sein sollte. Er war nur noch 20 km und etwa 400
Höhenmeter entfernt. "Alles geritzt" dachte
ich, zufrieden mit der Welt und mir. Doch dann kam das
grausame Erwachen, denn es ist eine irrige Annahme,
daß "der Sico" ein Paß ist, wie der Name eigentlich
vermuten ließe. Vielmehr ist er ein Punkt mitten in
einer Steigung, der die Grenze markiert ! Einem Tobsuchtsanfall
nahe verfluchte ich diese Namensgebung und biß die Zähne
zusammen. Aber es sollte noch schlimmer kommen denn
es folgten nicht weniger als 3 Pässe, der höchste 4560
m hoch. Zum Ausgleich wurde ich vom ersten chilenischen
Posten sehr herzlich aufgenommen. Ich kam mitten in
der Nacht an, durchgefroren, ohne einen Krümel Brot
und so waren die Reste der Bohnensuppe, die mir Commandante
Lopez anbot das beste Abendessen meiner Reise.
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EINIGE
TAGE URLAUB
Das Gröbste
war geschafft, nach zwei weiteren Tagen war ich in San Pedro
angekommen und damit war die Zeit der Entbehrungen vorbei.
Endlich konnte ich wieder in weltlichen Freuden schwelgen:
warme, regelmäßige Mahlzeiten, uneingeschränkte Cola- und
Joghurtvorräte, ein Bett und eine fast funktionstüchtige Dusche.
Nun war es auch an der Zeit Verantwortung und Organisation
in die Hände anderer zu legen, das Angebot der zahlreichen
Reiseagenturen vor Ort zu nutzen, und zwei Trips in die nähere
Umgebung zu unternehmen. San Pedro hat aufgrund seiner einmaligen
Lage ein schier unerschöpfliches Reservoir an atemberaubenden
Ausflugszielen. Da ist zum einen der Salzsee Salar de Atacama,
wo -einzigartig auf der Welt- Lithium in reinster Form vorliegt
und eine nordamerikanische Firma clever genug war, sich rechtzeitig
die nötigen Konzessionen zu sichern. Erstaunlicherweise bietet
diese lebensfeindliche Umgebung in den vereinzelten Brackwassertümpeln,
in denen sich die rauchenden Vulkane spiegeln, genug Nahrung
für kleine Gruppen von Flamingos, die sich nur durch besonders
aufdringliche Touristen aufschrecken lassen. Wem der Salar
zu trocken ist, dem empfehle ich eine andere Tour...
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BEI
DEN TATIO-GEYSIREN
Will
man die Schönheit eines Sonnenaufgangs an den Tatio-Geysiren
genießen, so braucht man einen guten Wecker oder einen
freundlichen Hotelwirt. Bei klirrender Kälte ging es
morgens um halb fünf auf die 80 km lange Fahrt über
Holperpisten, an Schlaf war nicht zu denken und nicht
einmal die Kalauer des Fahrers konnten unsere Laune
heben. Erst auf der Rückfahrt fühlten wir uns als verweichlichte
Europäer entlarvt, als wir begriffen hatten, daß die
alte zerbrechliche Frau, die wir mitgenommen und später
auf der Hochebene rausgelassen hatten jede Nacht diese
Strapazen auf sich nahm, um einige Hühner zu versorgen.
Nach zwei Stunden endlosen Gerüttels und dem Starren
auf die wenigen Quadratmeter Steinwüste, die die Scheinwerfer
der Nacht für einige Sekunden entreißen konnten, wurden
unsere Lebensgeister durch die Morgendämmerung geweckt.
Denn was wir -noch undeutlich- erkennen konnten wäre
jedes Schlagloch dieser Welt Wert gewesen. Aus unzähligen
Quellen stiegen Dampfsäulen in den stahlblauen Himmel,
wurden zum Teil schon von den ersten Sonnenstrahlen
bestrichen und standen mit diesem leuchtenden Weiß im
Kontrast zu den endlosen Schatten, die von den uns umgebenden
Hügeln in unseren Talkessel geworfen wurden. Nun machten
wir uns auf, die Vielfalt der einzelen Geysire zu studieren.
Einige machten einen sehr schüchternen Eindruck, gaben
Dampf ab und sprudelten etwas vor sich hin, andere hingegen
hatten sich aufgrund des kalkhaltigen Wasser schon ihre
eigenen Vulkankegel gebildet und spuckten munter eine
Fontäne nach der anderen aus. Kaum hatte sich jedoch
die Sonne über den Bergkamm erhoben und das faszinierende
Spiel von Licht und Schatten sich dem Ende zugeneigt,
da verstummte auch innerhalb weniger Minuten der fleißigste
Geysir und der Spuk war vorbei.
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DIE
VERGESSENE LAGUNE
Der abenteuerlichste
Ausflug ist bei keiner Agentur zu buchen, es ist die Fahrt
zur Laguna Verde im Niemandsland zwischen Chile und Bolivien,
4500 Meter hoch gelegen. Zufällig erfuhr ich, daß dort oben
noch Schwefel abgebaut wird und sich somit jeden Morgen gegen
fünf Uhr mehrere LKW aufmachen, um 2000 Höhenmeter auf 25
abscheulichen Wellblechkilometer zurückzulegen. So quälte
ich mich wieder einmal um vier Uhr aus den Federn, rollte
durch das nächtliche, vollkommen ausgestorbene San Pedro und
bekam einen Platz auf dem letzten Wagen. "Piste scheiße,
Aussicht super" notierte ich kurz und trocken in meinem
Tagebuch. Völlig durchgefroren kam ich oben an, meine Trinkflaschen
waren vereist, aber ich war überwältigt von dem Anblick. Da
erhoben sich der 6000 Meter hohe Vulkan Licanbur und sein
leider nicht mehr ganz so gut erhaltener Zwillingsbruder vor
mir, in der klaren Höhenluft erschienen die Konturen im ersten
Morgenlicht zum Greifen nahe. Ausgestattet mit viel Zeit,
aber wenig Sauerstoff rollte ich in unendlicher Langsamkeit
am Fuße des Licanburs vorbei, konnte ich lange vorher erkennen,
wo sich die Laguna verbergen mußte, aber trotz dieser Vorahnung
war der erste, plötzliche Anblick atemberaubend. Rötlich-braune
Vulkane bildeten einen fast perfekten Schutzwall um die ihrem
Namen gerecht werdende, stark grün schillernde Lagune und
vereinzelte Flamingos sorgten für weiß-rosa Farbtupfer. Zu
erreichen ist die Laguna Verde nur über zwei Pässe: zum einen
über San Pedro, zum anderen von Norden, wo die Piste irgendwo
zwischen den Vulkanen Richtung Laguna Colorado und bolivianischen
Altiplano verschwindet. Am Ufer angekommen untersuchte ich
die ärmlichen Hütten, die hier einigen Schwefelhauern als
Unterkunft dienten, und im Moment verlassen da lagen. Leblos
war es hier nicht; noch nicht vom Rad gestiegen kam schon
der Lagerhund, der seine Arbeit glücklicherweise nicht allzu
ernst nahm und das entsprechende Pendant, die Lagerkatze.
Beide schnorrten mich auf dreisteste Art an und so untersuchte
ich meine Vorräte auf Entbehrliches. Unvergeßlich bleibt mir
der Sonnenuntergang an der Laguna Verde. Der Himmel wurde
durch das mächtige Gipfeltrapez des Licanbur geteilt, auf
der einen Seite funkelten schon die Sternbilder der südlichen
Hemisphäre, auf der anderen Seite war der Himmel aber noch
in Gold und Rot getaucht und spiegelte sich in der Laguna.
Ein Anblick, bei dem ich sogar das fotografieren vergaß.

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DURCH
DIE ATACAMA
Ich
näherte mich dem Ende meiner Reise. Auf dem Weg nach
Calama sollte man sich eine Besichtigung der größten
oberirdischen Kupfermine der Welt in Chuquicamata nicht
entgehen lassen, oder aber in Calama die hervorragenden
Zweiradmechaniker aufsuchen. Ansonsten ist in diesem
Teil Chiles die Atacama ziemlich trostlos, faszinierende
Zeugnisse des ehemals Reichtum verbreitenden Salpeter
bilden jedoch noch die ehemaligen Salpeterminen, die
jetzt als verlassene Geisterstädte nur noch vom Wind
und gelegentlichen Touristen besucht werden.
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ENDLICH
AM PAZIFIK
Einen schönen
Abschluß bildeten die letzten Tage an der Pazifikküste bei
Antofagasta. Die Stadt selbst bietet recht wenig, aber etwas
außerhalb gibt es herrliche Strände. Der vielleicht Schönste
ist nur einen Steinwurf vom "Wendekreis des Steinbocks"(Schild
an der Panamericana) entfernt und bietet einen unübertroffenen
Blick auf das Wahrzeichen der Region, dem 30 m hohen Felstor
"La Portada". Nach einigen Tagen "easy goin´"
holte mich die Realität wieder ein, meine Reise war fast zu
Ende, und so besorgte ich mir ein Busticket für die Rückfahrt
nach Santiago, um von hier aus schweren Herzens Abschied zu
nehmen von Pisten, Vulkanen und Lamas.
Written 1993, last updated: 18 Março 2000
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